Nanopartikel wie Titandioxid stehen im Verdacht gesundheitlich alles andere als gesundheitlich unbedenklich zu sein, wie aktuelle Untersuchungen belegen: Zellstress, Stoffwechselstörungen, Mikrobiom Dysbiosen, entzündliche Darmerkrankungen oder Darmkrebs stehen mit Nanopartikel Aufnahme durch unsere Lebensmittel in Verbindung. Inhaliert gelten Titandioxid Partikel mittlerweile als „vermutlich karzinogen“ bei der ECHA. Warum ist Titandioxid als Zusatzstoff E 171 oder CI 77891 dann immer noch zugelassen in der EU und welche Effekte hat es auf die Gesundheit des Menschen?

 

UPDATE vom 6. Mai 2021: Die europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde hat Titandioxid E171 jetzt doch als NICHT SICHER eingestuft!

UPDATE vom 01. August 2022: Titandioxid ist als Lebensmittelzusatzstoff ab dem 01. August 2022 verboten

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Jeder Mensch hat mittlerweile nach Dieselskandalen oder Meldungen über gesundheitsbedenkliche Smogbelastung in Städten und nicht zuletzt durch die globale Kampagne für mehr Klimaschutz verstanden, dass Feinstaub nicht ganz so gesund ist: weder für die Umwelt noch für den Menschen.

Beim Stichwort „Nanopartikel“ allerdings erscheinen offenbar in den Gesichtern und Köpfen der meisten Menschen noch Fragezeichen. Die meisten können damit nicht viel anfangen. Man ist sich keines Risikos bewusst. Damit ist keiner allein: das geht fast allen Bürgern in der EU so, das zeigt eine Umfrage der der EFSA zum Bewusstsein von Risikofaktoren in Lebensmitteln: „Was verursacht euch die meisten Bedenken?“ Nanopartikel stehen dabei jedenfalls nicht in der Top Liste1.

Was sind Nanopartikel?
Nanopartikel (NPs) sind Metalle oder Oxide davon, z.B. Silber (Ag), Eisen (Fe), Zinkoxid (ZnO), Titandioxid (TiO2), die zerkleinert sind auf Nanopartikel Größe mit extrem kleinem Durchmesser (≤100nm) (so etwa die Größenordnung kleiner Viren, mind. 10x kleiner als ein „durchschnittliches Bakterium und 100x kleiner als eine durchschnittliche menschliche Zelle). Sie werden im Millionentonnen Maßstab jährlich weltweit in vielen verschiedenen industriellen, medizinischen Bereichen und in Lebensmitteln eingesetzt.

Titandioxid – einer der häufigsten Nano-Zusatzstoffe in Lebensmitteln, Kosmetik und Medikamenten

Titandioxid wird weltweit im Millionen-Tonnen-Maßstab produziert. Allein in Europa sind es mehr als 1 Million Tonnen pro Jahr. Knapp 90 % des Titandioxids wird als Weißpigment für die Herstellung von Lacken, Wandfarben und Druckfarben sowie in Kunststoffen und Papier verwendet oder in Beton, weitere 10 % für Kosmetika, Futtermittel sowie Arzneimittel (Laxativa, Nahrungsergänzungsmitteln wie Probiotika), E-Zigaretten und Lebensmitteln. Die Aufzählung ist hier bei weitem nicht zu Ende.

In Lebensmitteln ist Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff mit der Bezeichnung E 171 als weißer Farbstoff in vielen Süßigkeiten, in Kaugummis, Dragees, Getränke, Teigwaren, Kuchenglasur, Mozzarella, Fertigsuppen, verschiedene Fleischersatz Produkte und Burger Alternativen, Desserts oder Pralinen und Schokolade zugesetzt, um diese „glänzender und frischer aussehen zu lassen“: das Auge isst mit.2 (Tipp: regelmäßig mal Labels checken!)

Unter der Bezeichnung CI 77891 kommt der Stoff auch in Kosmetikprodukten wie beispielsweise Zahnpasta, Puder, Tätowierfarbe, Seifen, Sonnencreme u.v.m. zum Einsatz. BTW, übrigens auch in Bioprodukten und Naturkosmetik: ich habe es letztens in meiner Lieblingscreme entdeckt und bin mittlerweile umgestiegen auf ein anderes Produkt.

Mensch nimmt täglich Nanopartikel in seinen Körper auf: gefährlich?

Laut Industrie haben Metall-Nanopartikel (NP) viele „Vorteile“, darunter eine relativ große Oberfläche, „gute Biokompatibilität“ und gute katalytische Aktivität. Diese unterschiedlichen Eigenschaften beeinflussen demnach im Körper die biologische Aktivität und Toxizität der Nanopartikel Verbindungen. Das ist nicht verwunderlich und man ist sich bei den Sicherheits- und Zulassungsbehörden durchaus bewusst, dass der Mensch die Nanopartikel in seinem Körper aufnimmt. Es wird bisher die Meinung verbreitet, Nanopartikel seien inert, sie reagieren nicht mit dem Körper und werden ausgeschieden.
Allein durch Ernährung nehmen Menschen täglich 1 Billion ultrafeine Nanopartikel jeden Tag zu sich. Die menschliche Exposition gegenüber NPs kann auch über Inhalation (durch Aerosole aus Sprühlacken, Sprüh-Sonnencreme usw), über die Haut und natürlich beim Essen und Trinken erreicht werden.

Titandioxid: Zellstress, Mikrobiom-Stoffwechselveränderungen, entzündliche Darmerkrankungen und Darmkrebs

Infolgedessen können der Darm und seine Mikrobiota in hohem Maße NPs ausgesetzt sein. Schließlich ist die Darmschleimhaut das „Grenzübergang“, das den Übergang und die Aufnahme von Stoffen in unseren Körper regelt: ob Nährstoff oder nicht.
Zahlreiche Untersuchungen an Tiermodellen belegen, dass Titandioxid alles andere als gesundheitsförderliche Wirkung hat: Sie treten durch die Darmbarriere in den Körper ein und reichern sich u.a. in Leber und Lymphknoten an, verursachen oxidativen Zellstress, beeinflussen das Immunsystem und nach längerer Aufnahme (ca 3 Monate) milde chronische Entzündungen im Darm, was langfristig zu Darmkrebs führt 3–5. Andere Effekte sind Veränderungen im Darm-Mikrobiom Stoffwechsel, in der Darmzell-Morphologie und im Zuckerstoffwechsel der Experimental-Tiere3,6 7. Das sind Erkenntnisse aus Tierstudien: wie ist das im Menschen?

Titandioxid: Risiko für den Menschen?

Im „real Life“, der Realität des menschlichen Alltags ist es schwierig nachzuvollziehen und vor allem sehr individuell, wie hoch konzentriert man täglich Nanopartikel aufnimmt und daher ist es schwer aus kontrollierten Tierexperimenten etwas abzuleiten, sowohl was Exposition las auch die Toxizitätsschwellenwerte angeht. Die prospektive und epidemiologische Studienlage sieht hier ganz dünn aus.

Pathologische Untersuchungen von Darmgewebe Biopsien von Patienten mit Morbus Crohn und Darmkrebs zeigen eine hohe Anreicherung von Mikro- und Nanopartikeln im Tumor-Gewebe, gesunde Darmgewebe Biopsien nicht – zufällige Korrelation oder Kausalität8?

Forscher haben auch getestet, ob Titandioxid unmittelbar Entzündungen im Darmgewebe auslösen kann. Anhand von Biopsien des Darmgewebes und Immunzellen von Colitis und M. Crohn Patienten konnten sie in Zellkulturexperimenten keine Reaktion der Zellen auf TiO2 allein beobachten, wohl jedoch eine 2-3x verstärkte Entzündungsreaktion wenn in Kombination mit einem bakteriellen Antigen, LPS, behandelt wurde, welches selbst jedoch eine wesentlich geringere entzündliche Zellreaktion hervorrief: Titandioxid und bakterielle Antigene als Kombination verstärken sich offenbar, ein synergistischer Effekt beider Triggerfaktoren. Im Darm haben wir dasselbe Szenario, denn eine Armada an Bakterien haben wir alle und wir nehmen nicht nur Titandioxid zu uns sondern zusätzlich eine ganze Menge anderer Stoffe, die einen verstärkten Effekt haben können auf den Menschen. Das Fazit der Forscher: „ultrafeine Nahrungspartikel sind nicht immunologisch inert“ und können höchstwahrscheinlich die Sensibilität der Darmbarriere gegenüber dem Darm-Inhalt erhöhen. Dies kann insbesondere für Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen relevant sein, bei denen eine abnorme Darmpermeabilität vorliegt.5“ Der Laie versteht darunter „durchlässiger Darm“ oder „Leaky Gut“. Menschen mit Darmproblemen und Entzündungen oder chronischen Erkrankungen könnten besonders negativ betroffen sein.
Eine andere Analyse an verschiedenen menschlichen Organen bestätigt dies und weist daraufhin, dass Titandioxid sich in Darm, Leber, Niere und Milz anreichert und im Zusammenhang steht mit entzündlichen Prozessen in den Geweben; bei einer Konzentration, die nicht so wesentlich unter der in den Tierexperimenten eingesetzten liegt (welche häufig um ein vielfaches konzentrierter sind), was die Tier-Analyse Ergebnisse unterstützen könnte 9.

Das gibt zumindest Anlass dazu, Nanopartikel auch für den Menschen nicht einfach bedenkenlos als „nicht gesundheitsförderlich“ oder gar „unbedenklich“ einzustufen. Die Datenlage gibt diese Argumente zur Zulassung nicht her. Auch das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) sagt zwar: „es ist noch mehr Forschung nötig“, hat aber offenbar keine Bedenken in puncto menschliche Gesundheit. Der europäischen Lebensmittel-Sicherheitsbehörde (EFSA) reichen die Erkenntnisse auf jeden Fall für eine Zulassung auch weiterhin.

Das BfR erkennt keine belastbaren wissenschaftlichen Argumente, die es rechtfertigen würden, die Schlussfolgerungen der EFSA zur Verwendung von Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff in Frage zu stellen

Frankreich verbietet Titandioxid – in Deutschland weiterhin zugelassen

Frankreich kommt durch die bedenklichen präklinischen Daten zu eine anderen Einschätzung: ab 2020 ist zumindest für 1 Jahr Titandioxid verboten. Im Rest der EU nicht. Und das trotz der zusätzlichen Einstufung des Ausschuss für Risikobewertung der EU-Chemikalienbehörde ECHA von Titandioxid als „vermutlich krebserregend bei Inhalation“10. Beim Menschen.

Warum dann trotzdem immer noch die Zulassung? Viel Geld ist im Spiel: die Nanosubstanzen sind praktisch überall weltweit im Millionentonnen Maßstab eingesetzt – es ist ein Milliardengeschäft. Reformulierungen von Rezepten oder Zusammensetzungen kosten viel Geld und sind aufwändig.
Auf eine parlamentarische Anfrage an die Bundesregierung im Jahr 2020, ob Titandioxid auch in Deutschland verboten würde zum Schutz der Bevölkerung nach französischem Vorbild hieß es „Die EFSA hat alle verfügbaren Daten berücksichtigt und in ihrem Gutachten von 2016 betont, dass die Absorption und die Bioverfügbarkeit von Titandioxid so gering sind, dass auf der Basis der verfügbaren Daten zur Genotoxizität und der Daten zur Absorption, Verteilung und Ausscheidung von Titandioxid-Nanopartikeln und -Mikropartikeln ein erbgutschädigendes Potenzial von oral aufgenommenen Titandioxidpartikeln (in Nano- und Mikro-Form) unwahrscheinlich ist. Das BfR erkennt keine belastbaren wissenschaftlichen Argumente, die es rechtfertigen würden, die Schlussfolgerungen der EFSA zur Verwendung von Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff in Frage zu stellen.“ 11

Fazit
Labels checken und am besten selbst entscheiden, ob und wieviel Wandfarbe man gern frühstücken will.

Referenzen

1. Eurobarometer 2019: Food Safety in the EU | European Food Safety Authority. https://www.efsa.europa.eu/en/interactive-pages/eurobarometer-2019. Accessed April 10, 2021.
2. Wie gefährlich ist Titandioxid? | Wissen & Umwelt | DW | 18.04.2019. https://www.dw.com/de/wie-gefährlich-ist-titandioxid/a-48387575. Accessed April 9, 2021.
3. Bettini S, Boutet-Robinet E, Cartier C, et al. Food-grade TiO2 impairs intestinal and systemic immune homeostasis, initiates preneoplastic lesions and promotes aberrant crypt development in the rat colon. Sci Rep. 2017;7. doi:10.1038/srep40373
4. Ruiz PA, Morón B, Becker HM, et al. Titanium dioxide nanoparticles exacerbate DSS-induced colitis: Role of the NLRP3 inflammasome. Gut. 2017;66(7):1216-1224. doi:10.1136/gutjnl-2015-310297
5. Powell JJ, Harvey RSJ, Ashwood P, Wolstencroft R, Gershwin ME, Thompson RPH. Immune potentiation of ultrafine dietary particles in normal subjects and patients with inflammatory bowel disease. J Autoimmun. 2000;14(1):99-105. doi:10.1006/jaut.1999.0342
6. Coméra C, Cartier C, Gaultier E, et al. Jejunal villus absorption and paracellular tight junction permeability are major routes for early intestinal uptake of food-grade TiO2particles: An in vivo and ex vivo study in mice. Part Fibre Toxicol. 2020;17(1). doi:10.1186/s12989-020-00357-z
7. Mao Z, Li Y, Dong T, et al. Exposure to Titanium Dioxide Nanoparticles During Pregnancy Changed Maternal Gut Microbiota and Increased Blood Glucose of Rat. Nanoscale Res Lett. 2019;14. doi:10.1186/s11671-018-2834-5
8. Gatti AM. Biocompatibility of micro- and nano-particles in the colon. Part II. Biomaterials. 2004;25(3):385-392. doi:10.1016/S0142-9612(03)00537-4
9. Brand W, Peters RJB, Braakhuis HM, Maślankiewicz L, Oomen AG. Possible effects of titanium dioxide particles on human liver, intestinal tissue, spleen and kidney after oral exposure. Nanotoxicology. 2020;14(7):985-1007. doi:10.1080/17435390.2020.1778809
10. Titanium dioxide – Substance Information – ECHA. https://echa.europa.eu/de/substance-information/-/substanceinfo/100.033.327. Accessed April 9, 2021.
11. Gronow V, Felser P. Antwort Der Bundesregierung Auf Die Kleine Anfrage Der Abgeordneten Stephan Protschka, Berengar Elsner. https://www.bfr.bu. Accessed April 9, 2021.

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