Darm-Hirn-Verbindung

Reizdarmsyndrom: funktionale Störung der Darm-Hirn-Achse ist häufigstes Problem der Verdauung weltweit

Kommen diese Symptome jemandem bekannt vor: Chronische Verstopfung oder Durchfall,  Häufiger Blähbauch, Bauchschmerzen oder einmal alles zusammen, bitte? Und das über mehrere Monate hinweg? Außerdem viele Tests beim Arzt und trotzdem keine eindeutige Diagnose einer ernsthaften organischen Darmerkrankung gefunden außer möglicherweise einer Mikrobiom Dysbiose oder einer etwas dünnen Darmschleimschicht im Darm mit Immunsystemaktivität? (viele Patienten kennen dies unter einem „Leaky Gut“)

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Die Diagnose stellt man dann nur noch durch ein Ausschlussverfahren. Eine chronisch funktionelle Verdauungsstörung oder auch „Reizdarmsyndrom“. Da es keinen spezifischen Biomarker oder Test gibt, der die Diagnose eines Reizdarmsyndroms bestätigt oder ausschließt, behilft sich der Arzt auf die globalen Standard-Rom-IV-Leitlinien bei der Diagnose.

Die Symptome beziehen sich jedoch nicht nur auf den Darm, sondern sind ganzheitlich: Übelkeit, körperliches Unwohlsein, Lethargie und Energielosigkeit, Stimmungsschwankungen bis hin zu Depression oder anderen individuellen Symptomen gehören zu den Diagnosekriterien.

Reizdarmsyndrom oder chronische Verdauungsprobleme sind eine Störung der Kommunikation zwischen Gehirn und unserem 2. Gehirn: dem Darm-Nervensystem. Eine Störung der Darm-Hirn Verbindung. Das Darm-Nervensystem ist in dem Fall hypersensibel.

"Das Reizdarmsyndrom ist einer der häufigsten Gründe für Arztbesuche und Fehlzeiten bei der Arbeit oder in der Schule. Effektive Behandlungsmöglichkeiten für das Reizdarmsyndrom sind begrenzt, und wir stellten die Hypothese auf, dass es möglich sein könnte, den Placebo-Effekt auf ethische Weise für den klinischen Nutzen nutzbar zu machen“ (Lembo et al 2021)

Reizdarm & psychische Ursachen: #1 Grund für Krankmeldungen europaweit

Eine europäische Studie aus 2018 kommt zu dem Ergebnis, dass > 70% der Deutschen dauerhaft Medikamente nehmen gegen chronische Verdauungsstörungen und ca 20% der Betroffenen sich 5x jährlich oder durchschnittlich fast 30 Tage im Jahr krank melden1. Damit zählen chronisch funktionale Verdauungsstörungen mit psychischen Krankheiten und Burnout zu den häufigsten Ursachen für Krankmeldungen.

Open Label Placebo: effektiv gegen Reizdarm Symptome

Eine aktuelle randomisierte, kontrollierte Studie nutzt die bisherigen Erkenntnisse des Placebo Effekts und die Darm-Hirn-Verbindung, den nervlichen und psychsichen Aspekt bei über 260 Reizdarmpatienten, um zu testen, ob ein Placebo wirksam ist2. Auch, wenn die Patienten wissen, dass sie eins bekommen.

Die Wissenschaftler verglichen 3 Gruppen von Patienten miteinander. Gruppe 1 erhielt ein Placebo mit der Aufschrift „Open-Label-Placebo“, und es wurde ihnen gesagt, dass die Pillen darin pharmakologisch inert seien, sie sich aber durch den Placebo-Effekt besser fühlen könnten. Gruppe 2 erhielt Pillen mit der Aufschrift „Doppelblind-Placebo oder Pfefferminzöl“. Die Teilnehmer der doppelblinden Gruppe erhielten entweder ein Placebo oder eine identische Pille mit Pfefferminzöl, aber weder sie noch das Forschungsteam wussten, welche sie erhielten. Gruppe 3 erhielt gar keine Pillen.

Die Patienten hatten regelmäßige kurze Gespräche mit dem Studien-Arzt.

Nach 6 Wochen der Studie ergab sich, dass :

  1. Placebos einzunehmen (egal ob wissentlich oder nicht) genauso wirksam ist wie eine Kapsel mit Pfefferminzöl
  2. Placebos besser wirken als wenn man gar nichts einnimmt. Fast 70% der Placebo Probanden hatten eine starke, signifikante Verbesserung ihrer Symptome im Vergleich zu 54% der Menschen, die gar kein Präparat erhielten.

Woraus sich eine 3. Erkenntnis ergibt: mit einem Arzt zu reden schien ebenfalls ungefähr der Hälfte der Patienten zu helfen sich besser zu fühlen.

Alles ganz ohne Nebenwirkungen, die üblicherweise Medikamente haben, die fast 70% der Reizdarmpatienten über längere Zeiträume einnehmen und ganz offensichtlich nicht so wirksam sind. Doch dazu in späteren Artikeln mehr.

Dass Placebos wirksam sein können hat sich auch anhand anderer Studien mit chronischen Schmerzen herausgestellt. Ebenfalls auch in einer anderen randomisierten, kontrollierten Studie mit Reizdarmpatienten im Vergleich zu Präbiotika Kapseln: das Placebo war sogar effektiver als das Ballaststoffpräparat3

"Unsere Erkenntnis, dass ein offen verordnetes Placebo genauso wirksam sein kann wie ein doppelt verblindetes Placebo, hat Implikationen für die klinische Praxis und für die zukünftige Forschung, insbesondere bei chronischen viszeralen und somatischen Schmerzzuständen“

Fazit

Wir können die Darm-Hirn-Verbindung und die Psyche positiv nutzen beim Reizdarm oder Stress & Angst bedingten Verdauungsstörungen: unter Stress stoppt die Verdauung und verschlechtern sich Symptome, während positive, beruhigende, therapeutische Effekte auf das Nervensystem „beruhigend“ wirken, auch auf das große Nervensystem im Darm: in diesem Fall ein Placebo. Besser als gar nichts.

Disclaimer: Eine gesunde pflanzlich basierte Ernährung spielt unabhängig davon natürlich eine Vorreiterrolle um das Mikrobiom im Darm aufzubauen und zu erhalten, genauso wie eine gesunde Darmbarriere, um Entzündungen entgegenzuwirken.

Referenzen

  1. Tack J, Stanghellini V, Mearin F, et al. Economic burden of moderate to severe irritable bowel syndrome with constipation in six European countries. doi:10.1186/s12876-019-0985-1
  2. Lembo A, Kelley JM, Nee J, et al. Open-label placebo vs double-blind placebo for irritable bowel syndrome. Pain. 2021.
  3. Olesen M, Gudmand-Høyer E. Efficacy, safety, and tolerability of fructooligosaccharides in the treatment of irritable bowel syndrome. Am J Clin Nutr. 2000;72(6):1570-1575. doi:10.1093/ajcn/72.6.1570

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